Geschichte der Formsandgräberei

 

1758

Beginn des Formsandabbaus durch  Gründung der St. Antony Hütte in Oberhausen-Osterfeld. Das Unternehmen benötigte den Sand als Form beim Eisen- und Stahlguss. Daher auch der Name des Materials. 

Durch  Bauern und Kötter wurde der Sand in Bottrop und Osterfeld aus eigenen Gruben in Handarbeit gefördert und mit Pferdefuhrwerken transportiert. 

Gründer der St. Antony Hütte ist die Familie von der Wenge, die auch Schloss Beck in Bottrop-Feldhausen errichtet hat.

Im Jahre 1752 begannen die Planungen zur Gründung der Hütte in Osterfeld. Das Unternehmen war der erste Industriebetrieb im Ruhrgebiet. Am 18.10.1758 wurde der erste Hochofen angeblasen. Damit markiert dieses Datum den "Gründungstag" der Formsandgräberei. Bis zum 31.08.1986 sollte das Material abgebaut werden.

Der Formsand gab sogar einem Stadtteil (Lehmkuhle) Bottrops seinen Namen. 

1852

Beginn des Formsandabbaus im industriellen Maßstab mit Gründung der Kleine-Brockhoff GmbH durch den in Osterfeld geborenen Franz Kleine-Brockhoff. Die Formsandgrube befand sich in Höhe der heutigen Eislaufhalle im Revierpark Vonderort. Das Gelände war vom Grafen Nesselrode angepachtet worden.

Die Arbeiter standen in der Sandwand und stachen mit dem  Spaten das Material ab. Dieses wurde anschließend auf Pferdefuhrwerke verladen.    

1868 

Einstieg der  Frau August Dickmann GmbH  in das Formsandgeschäft. Die Grube befand sich auf eigenem Gelände am Donnerberg in Bottrop. Im Jahre 1870 wurde vom genannten Unternehmen der Armeler Hof  erworben. Das Gelände des Hofes umfasste große Teile der Bottroper Formsandgrube. Verkäuferin war Antonia Demond.

Das Unternehmen Frau August Dickmann GmbH war 1839 gegründet worden und unterhielt seit diesem Jahr eine Sandgrube in Oberhausen auf der Geländefläche die von der  Straßenkreuzung Essener Straße und Konrad Adenauer Allee begrenzt wird . Ein Teil vom Centro Oberhausen steht heute auf dem ehemaligen Grubengelände. Zuletzt ist ab 1872 gegenüber dem Schloss Oberhausen (heute Siedlung Grafenbusch) ausgesandet worden. Aus der Grube in Oberhausen wurde aber kein Formsand gefördert sondern Kies und Lipperheidesand. Das gesamte Sandgrubengelände Gelände war im Eigentum des Grafen Westerholt (Schloss Oberhausen). Es bestand von 1861 bis 1872 eine weitere Sandgrube am Galgenberg in Oberhausen. Heute befinden sich an dieser Stelle  die Louise Albertz Halle und der Grillopark.

Bisher hatte die Frau August Dickmann GmbH Material für den Straßen- und Bahndammbau geliefert. Dieses Standbein wurde parallel neben dem erst 1868 begonnen Formsandverkauf weitergeführt. 

1872

Gründung des Unternehmens  Wilhelm Kleinefenn (Einzelfirma). In Zusammenarbeit mit der Firma Frau August Dickmann GmbH erschloss das Unternehmen eine Formsandgrube auf dem Gelände des Revierpark Vonderort. Später griff die Formsandgrube auch auf angrenzende Bereiche über.  Das Gelände war im Eigentum des Grafen Nesselrode (Burg Vondern),  bzw. der Familie Steinhaus (Haus Hove). Die Straße Am Quellenbusch bildete die Grenze zwischen den Grundstückseigentümern.

Beide Firmen unterhielten den Betrieb bis 1965. Gewinne und Kosten wurden zu je 50 % aufgeteilt. Ebenso war das Eigentum an den Fördereinrichtungen je zur Hälfte bei Dickmann und Kleinefenn.

Der Vertrag zwischen den beiden Unternehmen war mündlich und wurde niemals schriftlich festgehalten. Die Vereinbarung hatten die beiden Firmengründer Heinrich Dickmann (1808-1873) und Gerhard Kleinefenn (1839-1913)  geschlossen.

Dieser Vertrag war sehr ungewöhnlich da  beide Unternehmen  kaufmännisch sowie juristisch vollkommen eigenständig blieben. 

Die beiden Gruben (Bottrop und Osterfeld) erstrecken sich jeweils bis zur gedachten druchgezogenen Linie der Straße An der Kornbecke.

1874

Erster Bahnanschluss (Köln Mindener Emschertalbahn)  für die Grube am Donnerberg. Der Anschluss an den Bahnhof Bottrop-Süd war so konstruiert, dass die beladenen Loren (600-mm) von allein zur Verladebrücke rollen konnten. Man nutzte das abschüssige Gelände aus und  Pferde zogen die Loren wieder in die Grube zurück. Die Loren verfügten über Handbremsen, die während der Fahrt durch kurbeln betätigt werden konnten. Mit dem Einsatz von Feldbahnloks entfiel diese Vorrichtung, da nun die Loks den kompletten Zug abbremsten.  Die Formsandgrube war also an den Bahnhof Bottrop Süd angeschlossen. Die Feldbahntrasse verlief damals vom Abbaugebiet bis zur Verladebrücke in Nord-Süd-Richtung. 

1875

Die Firma Frau August Dickmann GmbH gab ihren Grubenbetrieb in Oberhausen auf, der auf gepachtetem Gelände des Grafen Westerholt lag. Das Unternehmen Heinrich Tepper übernahm die Grube. Endgültig stillgelegt wurde der Betrieb um 1905.

Ab 1872 sandete die Firma Frau August Dickmann GmbH den Grundbesitz der ehemaligen Posthalterei Krumpe in Oberhausen aus. Das Gelände war auch im Eigentum des Grafen Westerholt und wurde daher angepachtet. Die Poststation befand sich gegenüber dem Schloss Oberhausen. Der bestehende Grubenbetrieb wurde lediglich auf dem Gelände der früheren Posthalterei fortgesetzt.

1879

Erster Bahnanschluss an die Königlich Westfälische Eisenbahn (Bahnhof an der Emsstraße) für die Osterfelder Grube. Auch hier nutzte man den natürlichen Abhang aus. Die 600-mm Loren wurden von Pferden wieder in die Grube zurückgezogen. Die Firma Otto Walter, aus Köln, später Brühl, war bis 1910 für die Beschaffung und den Betrieb der Feldbahnloks der Formsandgrube in Osterfeldd verantwortlich.

1883

Das Unternehmen Kleine-Brockhoff GmbH erhält den ersten Bahnanschluss an den Bahnhof Osterfeld Nord (Rheinische Eisenbahn) mit Pfedebetrieb. Die Spurweite beträgt 600-mm.

1884

Die  Frau August Dickmann GmbH gab ihre Formsandgrube am Donnerberg in Bottrop zwangsweise auf.  Der Grundbesitz, des Armeler Hofes  ging wieder in das Eigentum von Antonia Demond über. Letztere verpachtete das Anwesen an mehrere Personen. Die Formsandgrube übernahm Franz Storp. Der bestehende Bahnanschluss wurde weiterhin genutzt.

1884

Die Formsandgrube in Osterfeld erhielt einen neuen Bahnanschluss an den Bahnhof Osterfeld Süd  (Köln Mindener Emschertalbahn). Zusätzlich ist die erste Dampflok (900-mm-Spur) angeschafft worden.  Die vorher genutzte 600-mm-Bahn wurde weiterhin zum Abbau des Kieses eingesetzt. Diese Spurweite hatte von da an  keinen Bahnanschluss mehr. Die Umladung in die 900-mm Feldbahn wurde über die Kiessieberei, bzw. ab 1911, über die Kieswäsche ermöglicht.

1892

Die  Kleine-Brockhoff GmbH erschloss eine neue Grube am Donnerberg. Der zwischen 1892 und 1894 von den Gesellschaftern der späteren Westfälischen Sandgräberei GmbH  gebaute Bahnanschluss wurde mitbenutzt.  Die alte Formsandgrube in Osterfeld gab man auf. Der  bestehende Bahnanschluss an den Bahnhof Osterfeld Nord ist von den Unternehmen Frau August Dickmann GmbH und Wilhelm Kleinefenn (Einzelfirma) übernommen worden. Es erfolgte der Umbau auf die 900-mm-Spur. Weiterhin diente die 600-mm-Spur dem Kiesabbau. Erst Anfang der 50 er Jahre des 20. Jahrhunderts wurde die 600-mm Bahn in Osterfeld verschrottet, da der Kiesabbau nun über Fremdfirmen erfolgte.

1892

Antonia Demond verkauft die Grundstücke des Armeler Hofes an die Frau August Dickmann GmbH, Johann Brinkmann, Gerhard Kleinefenn und Franz Storp. Alle vier wurden Eigentümer zu je 25 % .  Franz Storp hatte faktisch alle Kunden verloren.  Daher kam es dazu, dass die Formsandgrube am Donnerberg nun mit Geschäftsfpartnern weiter betrieben worden ist.

Einen nenen Bahnanschluss erhielt der Betrieb zwischen 1892 und 1894 an den Bahnhof Bottrop Süd. Weiterhin waren Pferde im Einsatz, um die 600-mm Loren in die Grube zurück zu ziehen.  Jetzt nutzte man aber die Trasse der 1884 aufgegebenen Königlichen Westfälischen Eisenbahn.

1898

Gründung der Westfälischen Sandgräberei GmbH. Das Unternehmen übernahm den bestehenden Betrieb am Donnerberg. Gellschafter wurden zu je 25 % die früheren Betreiber Brinkmann, Dickmann, Kleinefenn und  Storp

Die Geschäftsführung erfolgte von Anfang an in Personalunion mit der  Frau August Dickmann GmbH.

Die Formsandgrube in Osterfeld (Firmen Dickmann und Kleinefenn)  war von der Gründung der Westfälischen Sandgräberei GmbH nicht betroffen. Beide Formsandgruben (Bottrop und Osterfeld) bestanden bis 1965 parallel.

1901-1903

Die Frau August Dickmann GmbH errichtet die Villa Dickmann an der Bogenstraße 40 in Bottrop. Das Gebäude war bis 1974 Sitz des Unternehmens. 

Das Gebäude trägt offiziell den Namen Villa Gertrude. Nach Gertrud Dickmann, geb. Sandgathe, die das Gebäude errichten ließ. Der Name ist auch an der Straßenfront zu lesen.

Als Architekt war Carl Nebel aus Recklinghausen tätig.

1908

Der Bahnanschluss der Westfälischen Sandgräberei GmbH wurde auf Normalspur umgestellt und der Anschluss ist vom Bahnhof Bottrop Süd zum Hauptbahnhof verlegt worden.  Die Eisenbahnwaggons wurden von nun an in der Grube beladen und mit einer eigenen Normalspurlok zum Bahnhof Bottrop Hbf gebracht. 

Der Anschluss von Dickmann und Kleinefenn in Osterfeld erlaubte eine direkte Beladung der Waggons. Daher wurde hier keine Normalspurlok benötigt.

1911

Die Unternehmen Dickmann und Kleinefenn schafften für ihre Grube die ersten Bagger an. Gleichzeitig wurde für die Gruben in Bottrop und Osterfeld die ersten 600-mm-Loks angeschafft.

1913

Von 1913 bis 1938 unterhielt die Frau August Dickmann GmbH auch in Erkrath über die Tochtergesellschaft Bergische Sandwerke Hubert Hanten GmbH eine weitere Formsandgrube.

1914-1918

Vom 1. Weltkrieg bis zum Anfang der 20 er Jahre wurden in den Gruben auch Frauen zum Sandabbau eingesetzt, da die männlichen Mitarbeiter zum Kriegsdienst eingezogen waren. Der Osterfelder Betrieb war wegen des Einsatzes von Baggern  nicht so stark betroffen.

Im 1. Weltkrieg wurden auch Belgier und russische Zivilarbeiter eingesetzt. 

1927

Die Kleine-Brockhoff GmbH erschloss eine neue Grube mit Bahnanschluss  in Kirchhellen links und rechts der Schulstraße. Die alte Grube am Donnerberg wurde aufgegeben. Es bestand ein Bahnanschluss zum Bahnhof Kirchhellen.

1939-1945

Im 2.Weltkrieg wurde der Osterfelder Betrieb fast komplett zerstört. Die Grube in Bottrop blieb dagegen unversehrt. Zu dieser Zeit wurden keine Frauen im Sandabbau eingesetzt. Dafür arbeiteten  Franzosen in der Grube in Bottrop sowie Polen, Russen und Ukrainer in der Osterfelder Grube.

Die Grube in Kirchhellen war 1945 zeitweilig Frontgebiet. 

1954

Die Westfälische Sandgräberei GmbH setzte erstmalig Bagger zum Abbau ein. Aber erst 1960 endete die Handarbeit beim Sandabbau endgültig. In Osterfeld wurde seit 1911 der Sand nur noch maschinell abgebaut.

1956

Die  Wilhelm Kleinefenn GmbH wurde gegründet. Diese ging das gleiche Geschäftsverhältnis zu der Frau August Dickmann GmbH ein wie die weiter bestehende Einzelfirma. Das Eigentum an der Formsandgrube in Osterfeld lag weiter je zu 50 % bei Dickmann und Kleinefenn.

Das gesamte Formsandgeschäft von Kleinefenn wurde auf die neue GmbH übertragen. Aus steuerlichen Gründen verblieben aber die bisherigen Fördereinrichtungen bei der Einzelfirma.

1965

Die Osterfelder Grube der Firmen Frau August Dickmann GmbH und Wilhelm Kleinefenn (Einzelfirma) und Wilhelm Kleinefenn GmbH wurde stillgelegt. Das gesamte Sandgeschäft übertrugen die  Unternehmen auf die Tochtergesellschaft Westfälische Sandgräberei GmbH, die zu dieser Zeit Dickmann und Kleinefenn allein gehörte. Die anderen Gesellschafter Brinkmann (1962*) und Storp (Anfang 50 er Jahre*) waren bereits ausgeschieden (* = Austritt  als Gesellschafter). 

Im Zuge der Stillegung der Grube in Osterfeld übernahm die Westfälische Sandgräberei GmbH auch die gesamten Fördereinrichtungen. Die 900-mm-Spur war daher kurz vorher in Bottrop verlegt worden und es war eine Feldbahnverbindung zwischen den beiden Gruben geschaffen worden. Die 600-mm-Bahn wurde kurz darauf verschrottet.

1968

Stillegung der Grube in Kirchhellen durch die  Kleine-Brockhoff GmbH. Von da an verkauft das Unternehmen  verschiedene Sandsorten nur noch als Zwischenhändler  für den Gießereimarkt. 

1973

Die Westfälische Sandgräberei GmbH ändert zum letzten Mal ihren Bahnanschluss. Die Verbindung zum Bottroper Hbf wird aufgegeben und ein neuer Anschluss direkt ins Gleis der Strecke Bottrop Hbf nach Oberhausen Hbf eingebaut. Da die Deutsche Bundesbahn die Waggons nun selbst abholte wurde die Normalspurlok verkauft und eine Seilzuganlage zum verschieben der Waggons wurde angeschafft.

Durch dem Umbau entfiel die gefährliche Kreuzung mit der Straßenbahnlinie von Bottrop nach Essen. Diese Kreuzung bestand seit 1899. Die Sandzüge hatten aber Vorfahrt. Zudem brauchten die Sandzüge nicht mehr die stark befahrene Essener Straße zu kreuzen.

Der Bahnanschluss von den Firmen Dickmann und  Kleinefenn  in der Osterfelder Grube wurde 1973 abgebaut. Die Westfälische Sandgräberei GmbH hatte diesen benutzt so lange der Eigene in Bottrop umgebaut wurde.

1977

Die Zusammenarbeit zwischen den Firmen Frau August Dickmann GmbH, Wilhelm Kleinefenn (Einzelfirma) und Wilhelm Kleinefenn GmbH wurde aufgegeben. Damit wurde die mündliche Vereinbarung zwischen den Firmengründern (Heinrich Dickmann und Gerhard Kleinefenn) aufgehoben. 

Die Unternehmen Kleinefenn wurden 1977 aufgelöst. Die  Frau August Dickmann GmbH blieb weiterhin bestehen.

1986

Die Grube der Westfälischen Sandgräberei GmbH am Donnerberg  wurde stillgelegt. Seit 1977 war das Unternehmen im alleinigen Eigentum der Frau August Dickmann GmbH. Der letzte Mitgesellschafter Kleinefenn war ausgeschieden.

1989

Das Unternehmen Kleine-Brockhoff GmbH gründete zusammen mit der bisher parallel betriebenen Heinrich Oelschläger GmbH das Unternehmen KBO Kleine-Brockhoff und Oelschläger GmbH. Das laufende Geschäft wurde in das neue Unternehmen übertragen. Der Sandverkauf erfolgt bereits seit 1968 als Zwischenhändler.

Das Unternehmen Heinrich Oelschläger GmbH ,das bisher auch im Gießereimark tätig war, wurde durch Fusion von der Kleine-Brockhoff GmbH übernommen. Das aktive Handelsgeschäft wurde auch auf die KBO Kleine-Brockhoff und Oelschläger GmbH übertragen. Durch den Zusammenschluss änderte sich der Name des Unternehmens Kleine-Brockhoff in Kleine-Brockhoff Verwaltungs GmbH.

1996

Das Unternehmen Kleine Brockhoff Verwaltungs GmbH verkauft die Tochterfirma KBO Kleine Brockhoff und Oelschläger GmbH an Franz Hall und zieht sich damit nach 144 Jahren aus dem eigenen Handelsgeschäft zurück. Die  Kleine-Brockhoff Verwaltungs GmbH wurde damit zu einer Vermögensverwaltung.